Das Jahr stolpert dem Ende entgegen, es ist wieder der Zeitpunkt gekommen um inne zu halten, den „Artikel-nochmal-bestellen-Button“ beim Onlinehändler des Vertrauens zu klicken, damit die neuen Kalendereinlagen diesmal vor der Sommerpause einsortiert sind, die Verbrauchermarktprospekte mit den Osterangeboten und die To-do-Listen vom letzten Sommer dem Altpapierrecycling zu zuführen und, soweit es die retrograde Amnesie zulässt, das letzte Jahr Revue passieren zu lassen.
Ich mach das zum ersten Mal in meinem Leben ganz bewusst. Ohne jegliche Jahresendzeitduselei, aber mit Lebkuchen. Und ich tue es dieses Jahr mit sehr viel Spaß – am Leben. Daß ich, immer noch oder wieder lebe, ist nicht selbstverständlich und normal, es ist großartig und wunderbar! Das klingt alles zugegebenermaßen etwas schwülstig, um nicht zu sagen spirituel oder religiös.
Ich zelebrier trotzdem kein Weihnachten, ich zünde keine Kerzen in irgendwelchen Kirchen an. Aber auch keine Kirchen mit irgendwelchen Kerzen.
Kurt Tucholsky hat einmal geschrieben: „Wenn sie tot sind, werden sie erst merken, was Leben ist. „ Ich habe diesen Satz zum ersten Mal gelesen, sehr lange bevor ich mein vergangenes Jahr anfing. Es war auch einer der ersten Sätze, die mir durch den Kopf gingen, als ich vor jetzt genau elf Monaten wieder aufwachte und gleichzeitig damit begann, überhaupt zu leben.
Eine der beliebtesten Fragen bei einer selbst reflektierenden Rückschau: “Würde ich es nochmal genau so machen?“ Vor einem Jahr hätte ich mit einem überzeugten „Ja sicher“ geantwortet. Und heute? Regt mich schon die Frage auf! Es ist Vergangenheit, es gibt nichts mehr zu ändern. Ich kann nur im Jetzt handeln und damit vielleicht die Zukunft beeinflussen, aber auch nur vielleicht. Ich bin mein eigener Täter, nicht mein Opfer. Es war ganz sicher nicht alles toll, was ich so getrieben hab. Aber ich setze mich nicht in mein Jammertal, ach hätt ich nur und warum hab ich nicht.
Nein, ich bereue nichts, ich mache nur vieles anders. Ich bin kein besserer Mensch geworden im letzten Jahr, nur ein Anderer. Und den Anderen find ich persönlich ziemlich gut. Es macht mir viel Spaß mit ihm, ich entdecke ihn jeden Tag neu und freue mich einfach nur auf mein Sein und auf das Hier und auf das Jetzt.
Ich wünsche euch Allen von Herzen eine genauso staade Zeit, wie ich sie gerade haben darf…